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Stadtteilbelebung – wie werden die Erdgeschosszonen in Zukunft bespielt?

Letzte Woche habe ich in der New York Post gelesen, dass sich die Stadt in eine Geisterstadt verwandeln könnte, wenn nicht gegengesteuert wird -> The world’s hottest shopping city becoming a ghost town. Auch in Deutschland wird diskutiert, was man mit den Geschäftslokalen macht, wenn die Geschäfte weg sind.

Es wird unter den Fachleuten übrigens nicht mehr diskutiert, ob der Onlinehandel Auswirkungen hat auf den stationären Handel, sondern nur noch, wie groß die Auswirkungen sein werden. Wie viel Leerstand erwartet wird. Die MacherInnen der Studie gehen bis 2020 von 10 % Geschäftsschließungen aus. Laut HDE-Schätzung werden also rund 50.000 Standorte in Deutschland vom Markt verschwinden.

In der wöchentlichen Zusendung der Wirtschaftskammer Wien habe ich die Woche gelesen, dass gerade eine Stiftung für die 70.000 Bankangestellten in Österreich eingerichtet wurde, weil viele von ihnen bald ihre Jobs verlieren werden, die werden dort dann umgeschult, weitergebildet. Aber auf jeden Fall sieht man es jetzt schon im Straßenbild: immer mehr Banken machen dicht. Onlinebanking ist irgendwie ja auch bequemer. Die Versicherungen sind vom Strukturwandel natürlich auch betroffen.

Nebenfrage: was machen die ganzen BankerInnen eigentlich dann? Generell trifft der Arbeitsmarktwandel übrigens nicht nur die Offliner, Zalando hat kürzlich 200 online Marketing Mitarbeiter entlassen. Ein Algorithmus macht die Arbeit schneller und kostengünstiger. Noch eine Nachricht hat mich aufhorchen lassen letzte Woche, es gibt einen Gründungsboom bei den Humanenergektikern. Vielleicht lassen sich ja jetzt viele Ex-BankerInnen zu Coaches ausbilden? Wer weiß, hängt vielleicht ja alles zusammen, Karma und so :) …

Was ist mit den Supermärkten? Die Supermärkte arbeiten gerade marketingtechnisch hart daran, dass wir unser Essen online bestellen und nach Hause liefern lassen. Bald braucht es nur noch Lager, von dort werden wir dann mit Nahrungsmitteln und was man sonst noch so im Alltag benötigt, beliefert. Dann hätte man also in 5 – 10 Jahren auch kaum Supermärkte mehr.

Ich war vor Kurzem auf einem kleinen Forschungstrip in Berlin, dort habe ich fast alle Stadtteile besucht, in denen ich mal zur Jahrtausendwende gewohnt habe: Wrangelkiez, Prenzlauerberg, Oranienstraße, Bergmannkiez, Berlin Mitte. Dann hab ich mir noch paar andere Stadtteile angeschaut z.B. Wedding, Schöneberg, Tempelhof …

Ich war sicher 10 Jahre nicht mehr in Berlin. Das ist gut für den Blick, weil dann sieht man stärker die Veränderung. Was mir aufgefallen ist, dass es eigentlich nur noch Gastronomie gibt und Spätis. Ein Restaurant, Imbiss, Cafe, Bar und Späti reiht sich neben dem anderen. Klar, dazwischen gibt es mal einen kleinen Designerladen, einen Friseur, eine Gallerie, oder ein Krimskramsgeschäft, ein Handygeschäft, oder ein Eineuroladen (je nach Viertel). Aber die ganz normalen Geschäfte sind weg. Es gibt Essen, Essen, Essen und Trinken …

Letztens war ich im 5. Bezirk flyern und wir sind da in ein Tapeten-, Jalousien-, Eisenwarenhandlung  reingestolpert, die Leute standen da drin echt Schlange, weil sie beraten werden wollten. Undenkbar so ein Geschäft in den Stadtteilen, die ich jetzt in Berlin gesehen hab. Also vom Gefühl sind wir also noch paar Jahre hinterher in Wien. Gut so …

Aber da die Entwicklungen global sind, werden wir auch bald in Wien größere Umwälzungen sehen. Es hat ja bereits begonnen …

Wenn über diese ganzen Entwicklungen von den Experten gesprochen wird, dann wird häufiger folgender Lösungsansatz genannt: “ man müsste gesundschrumpfen“. Also Geschäftslokale in B und C Lagen z. B. wieder in Wohnungen umwidmen …

Ich habe mich in den letzten Monaten mit Bauträger getroffen, um diese für den Raumteiler zu interviewen, mich interessiert ihre Sicht auf das Thema Gewerbeflächen und, und, und. Man könnt sagen, dass alle befürchten, dass die Nachfrage nach Gewerbeflächen in der Sockelzone weiter sinkt, sie aber durch Auflagen noch mehr bauen sollen, weil sich halt gezeigt hat, dass reine Wohnviertel problematisch sind.

Da kann einem echt schwindelig werden … die einen wollen gesundschrumpfen, die anderen sollen mehr bauen … Wenn es also nicht mehr der traditionelle Handel, die Versicherungen, die Banken sind, die sich in die Sockelzonen einmieten werden, wenn alle Kindergartengruppen mit Raum versorgt sind, wer könnte die Sockelzonen in Zukunft belegen und damit zur Stadtteilbelebung beitragen? Ist dann eine Gastronomie nach der anderen und paar Geschäfte mit Dienstleistungen für die Sockelzone die Lösung? Oder welche anderen Ideen und Konzepte gibt es?

Ein paar neue Ansätze habe ich gesehen, darüber berichte ich in einem nächsten Beitrag. Geht dabei natürlich auch um den Raumteiler, wie sollte es anders sein.

 

2 Kommentare Neuen Kommentar hinzufügen

  1. Liebe Mirjam,
    danke für Deinen Bericht – ich habe ihn mit Interesse gelesen.
    Eine Ergänzung aus Innsbruck, der – was das Wohnen anlangt – teuersten Stadt Österreichs: Auch hier stehen viele Geschäftslokale leer bzw. wechseln die Betreiber, bis auf einige Ausnahmen, ständig.
    Ein Umdenken fällt vielen Eigentümern offensichtlich schwer, sie sind hohe Mieteinnahmen gewohnt und lassen Geschäftslokale lieber leer stehen als sie (etwas) billiger zu vermieten. Das ist zwar ökonomisch unsinnig, aber Usus.
    Das wird nicht lange funktionieren, in Bern sind die Mieten innerhalb von drei Jahren um ein Drittel gesunken.
    https://www.derbund.ch/bern/stadt/wenn-der-laden-vor-allem-nochausstellungsraum-ist/story/14670010
    Gute Ideen sind gefragt.
    Schöne Grüße
    Erich

    1. Mirjam sagt:

      Lieber Erich,
      bin überrascht und erfreut, dass jemand überhaupt diese trockenen Beiträge liest :) Danke auch für die Links und Beobachtung aus Innsbruck. Ich habe festgestellt bei meinen ganzen Recherchen zu dem Thema, dass es da Unterschiede gibt. Manchen ist der Leerstand einfach egal, das wird als Verlust abgeschrieben. In meinen Gesprächen mit gemeinnützigen Bauträger kam aber raus, dass die schon ein Problem im Leerstand sehen, denen ist es nicht egal … -> Vandalismus etc. Da kommt aber ein anderes Problem dazu: als die vor 10-20 Jahren ihre Häuser gebaut haben, da waren Gewerbeflächen noch ein heißer Renner, in ihrer Rentabiltätsrechnung haben die also die Gewerbeflächen mit Summe x Einnahmen pro qm eingerechnet. Die denken in anderen Zyklen und rechnen mit Mietern, die 20 – 30 Jahre anmieten. Die Hoffnung ist, dass das alles nur eine Delle ist und der Markt sich dann wieder erholt. Davon abzurücken und zu sagen, na gut, dann machen wir da Verluste, vielleicht für immer, weil sie damit rechnen, dass die Mieter so lange drin bleiben … wäre so, als ob sie die Hoffnung komplett aufgeben. Sie reagieren also nicht schnell auf Marktänderungen. Alle haben mir außerdem gesagt, mit Wohnungen kennen sie sich aus, aber die Gewerbeflächen sind brutal, weil sie eigentlich schon vor dem Bau wissen müssen, wer da später einzieht. Ob Friseur, Gastronomie, Supermarkt etc. Weil das hat Auswirkungen darauf, wie sie es bauen müssen, auch der Umbau kostet jedes Mal. Früher konnte man groß bauen und hatte Abnehmer, jetzt nicht mehr. Also Fragen über Fragen und keiner weiß eine sichere Antwort, da wartet man lieber mal ab.

      ich bleibe an dem Thema dran und berichte
      liebe Grüße
      Mirjam

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