Welche Folgen haben die Covid-19 Maßnahmen auf Gewerbeflächen, die von Einzel- und Kleinstunternehmen in Wien genutzt werden?
imGrätzl.at hat 132 Mieter*innen (vor allem Einzel- & Kleinstunternehmen) einer Gewerbefläche in Wien befragt, ob sie ihre Gewerbeflächen bzw. Räume zum Arbeiten halten können oder nicht.
Die anonyme Umfrage lief vom 12.11.2020 bis zum 21.11.2020. Es ist die vierte und letzte Umfrage in diesem Jahr.
Die Umfragen haben wir im April dieses Jahres gestartet, weil wir festhalten wollten, welche Folgen die Krise auf die Strukturen unserer Alltagsökonomie hat. Die Umfragen vermitteln ein Stimmungsbild.
Unsere Befürchtung war und ist: Die Krise könnte zu einem Ausdünnen der lokalen Infrastruktur führen, die elementar wichtig für die Menschen und ihre Lebensqualität in einem Quartier ist. Wir rechneten damit, dass kleinteilig genutzte Gewerbeflächen als erstes gekündigt werden, da Einzel- und Kleinstunternehmen ihre Fixkosten aus Mangel an Rücklagen schnell verringern müssten. Unsere Annahme war, dass ein steigender Leerstand in Wien das sichtbarste Zeichen dafür werden wird, dass sich die Alltagsökonomie in den Stadtteilen zurückbildet. Die Folgen: Weniger Nahversorgungsangebote, weniger Dienstleistungen, weniger Kultur und Gastronomie und alles im allem weniger soziale Knotenpunkte, die so wichtig für das Miteinander in einem Quartier und damit für Wien sind. Da wir im Moment noch mitten drin stecken in der Krise, kann man noch nicht abschließend sagen, in welchem Umfang die Strukturen der Alltagsökonomie ausdünnen, aber das sie es tun, ist bereits in unseren Straßen sichtbar.
Das Wichtigste vorab:
- 26,5% der Teilnehmer*innen geben an, dass sie ihre angemieteten Gewerbeflächen planen zu kündigen oder dies bereits getan haben.
- 73,5% der Umfrageteilnehmer*innen planen ihre Gewerbefläche bzw. ihren Raum zum Arbeiten zu halten.
Die Werte entsprechen ziemlich genau denen aus der ersten Umfrage im April. Das hat uns überrascht. Das imGrätzl Team hatte damit gerechnet, dass der Anteil an Gewerbeflächen, die weiterhin gehalten werden können, diesmal höher liegt, weil mittlerweile die stattlichen finanziellen Unterstützungsmaßnahmen greifen müssten. Tatsächlich werden aber nach wie vor die Mieten in einem höheren Ausmaß über eigene Rücklagen finanziert, wie die Antworten auf die nächste Frage zeigt.
Wie wird die Miete der angemieteten Gewerbefläche bzw. Raum zum Arbeiten finanziert?
- 27 % geben an, dass sie die Miete durch ihre Einnahmen decken können.
- 23 % greifen zu ihren eigenen Rücklagen, um die Miete zu finanzieren.
- 21% decken die Miete mit Hilfe der staatlichen finanziellen Unterstützungsmaßnahmen.
- 8 % geben an, dass sie die Räume derzeit über eine Untervermietung halten können.
Warum werden die Räume nicht gekündigt?
Der Hauptgrund, warum die Gewerbeflächen und Arbeitsplätze nicht gekündigt werden, wird sichtbar in den Antworten auf die Frage, ob die selbstständige Tätigkeit im Homeoffice vollständig nachgegangen werden kann.
Die Aufgabe der Räume käme einer Stilllegung der selbstständigen Tätigkeit gleich und deshalb greifen 23 % der Umfrageteilnehmer*innen auf die eigenen Rücklagen zurück, um ihre Räume zu halten.
Einnahmen ja/nein?
Bei der ersten Umfrage im April 2020 sah die Situation noch folgendermaßen aus: 46% der Umfrageteilnehmer*innen geben an, dass sie seit den Covid-19 Maßnahmen keine Einnahmen mehr haben. 40% geben an, dass sie seit den Covid-19 Maßnahmen weniger Einnahmen haben. 6 % geben an, dass sie keine Umsatzeinbußen haben.
Im November 2020 sieht die Einnahmesituation bei den Umfrageteilnehmer*innen besser aus: Nur noch 12,9% der Umfrageteilnehmer*innen geben an, dass sie seit den Covid-19 Maßnahmen gar keine Einnahmen mehr haben. 69,7% geben an, dass sie seit den Covid-19 Maßnahmen weniger Einnahmen haben. 12,9 % geben an, dass sie keine Umsatzeinbußen haben.
Aber natürlich ist es nach wie vor so, dass knapp 70% der Umfrageteilnehmer*innen weniger Einnahmen haben und trotzdem die (zurzeit oft ungenützten) Gewerbeflächen weiterhin finanzieren müssen.
Greifen die staatlichen Covid-19 Unterstützungsmaßnahmen?
Im April bei der ersten Umfrage hatten die Umfrageteilnehmer*innen folgende Angaben gemacht:
- 60 % haben finanzielle Unterstützung aus dem Covid-19 Maßnahmenpaket beantragt.
- 40% haben das nicht getan.
- 42 % derjenigen, die finanzielle Unterstützung aus dem Covid-19 Maßnahmenpaket beantragt und bereits bekommen haben, sagen, dass es weniger ist, als sie benötigen.
Im November bei der vierten Umfrage sieht die Situation so aus:
- 62,9 % haben finanzielle Unterstützung aus dem Covid-19 Maßnahmenpaket beantragt.
- 37,1 % haben keine finanzielle Unterstützung beantragt.
Diejenigen Umfrageteilnehmer*innen, die finanzielle Unterstützung aus dem Covid-19 Maßnahmenpaket beantragt haben, geben an:
- 44,6 %, dass es weniger ist, als sie benötigen.
- 37,6 %, dass die Unterstützung in ausreichender Höhe erhalten haben.
- 17,8 %, dass sie eine Ablehnung und keine Unterstützung bekommen haben.
Achtung Kettenreaktionen: Viele Gewerbeflächen werden geteilt.
Im April sind 53 % der Umfrageteilnehmer*innen Alleinnutzer*innen ihrer Gewerbefläche. Im November geben nur noch 38,4 % an, dass sie ihre angemietete Gewerbefläche alleine nutzen. 61,6 % teilen sich ihre Gewerbeflächen mit anderen.
Das heißt: Wenn die Hauptmieter*innen ihre Räume aufgeben, dann verlieren damit auch die Raumpartner*innen ihre Räume. Für viele Einzel- und Kleinstunternehmen ist ihre Gewerbefläche die Grundlage, um weiterhin selbstständig tätig sein zu können. Deshalb ist es wichtig die Flächen zu halten, damit Einzel- und Kleinstunternehmen ihre Tätigkeit wieder aufnehmen können.
Zusammensetzung der Umfrage Teilnehmer*innen:
Vielen Dank an alle, die bei den Umfragen mitgemacht haben. Der Kurier hat die Umfrage bereits aufgegriffen und was uns ja besonders freut, dazu auch noch ein paar Raumteilerinnen befragt.