Ich habe eindeutig zu viele historische Romane gelesen, auf jeden Fall kommen in den dicken Schinken oft Beschreibungen von Marktplätzen aus früheren Zeiten vor. Wenn man z.B. im Mittelalter was erleben wollte, dann ist man zum Markt gegangen: dort waren sie dann die Leut beim Feilschen, die Händler aus den fremden Orten, die Kaufleute und Bauern, die Fressbuden, Gaukler, Musiker und die Nachbarn, mit denen man ein kleines Schwätzchen halten konnte. Ein richtiger Treffpunkt: laut, belebt und pulsierend. Das pralle Leben halt.
Unsere sterilen Shopping-Malls … ja, da sind halt immer die selben Ketten und ins Gespräch kommt man da auch eher selten. Umso schöner finde ich, dass noch ca. 21 richtige Märkte in Wien bespielt werden. Und: noch schöner ist es, dass es die Agora Marktbiennale am Vorgartenmarkt gibt. Da hat echt mal jemand richtig nachgedacht.
Die Agora Marktbiennale ist ein Marktstand am Vorgartenmarkt im 2. Bezirk, der von wechselnden KünstlerInnen und anderen Projekten temporär genutzt werden kann. Die Agora Marktbiennale ist eine Initiative der Gebietsbetreuung*2/20 und dem Verein Stuwart und die treibende Person dahinter heißt Corona Gsteu, die mit viel Energie und persönlichem Engagement die Idee belebt und trägt. Mittlerweile schon ins 7. Jahr. Respekt!
Das Konzept bringt meiner Meinung nach genau die Qualitäten auf den Markt, die Märkte dann so richtig spannend machen: neue und andere Perspektiven, Gesprächsstoff, das Fremde, etwas Chaos, Kunst & Kultur…
‚Was seid ihr denn für komische Vögel und was macht ihr da?‘
Falls ihr überlegt bei der Agora Marktbiennale was zu machen, dann tut es! Man bekommt nämlich die seltene Chance mit den unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch zu kommen. Am Anfang geht man vielleicht noch mit seinem Projekt an den Markt und verfolgt dabei noch bestimmte Ideen und Vorstellungen. Fühlt sich cool, hip oder über den Dingen stehend. Abgefahren ist, dass das dann alles (auch man selber) ganz schnell zersetzt wird, die Ideen werden zerrieben und zerbröselt. Ein verdichteter Realitycheck im Turbowaschgang nennt man sowas wohl. Uns ist es auch so gegangen, unsere Idee und wir selber haben am Markt eine ganze schöne Entwicklung durchgemacht. Für die Erkenntnisse hätten wir normalerweise Jahre gebraucht.
Und noch eins: wenn man mutterseelenallein im Marktstand 37 drinsitzt, dann lernt man ganz schnell, dass man irgendwie aktiv, also selber auf die Menschen zugehen muss. Es wartet niemand auf einen. Am Markt bekommt man eine Vorstellung vom eigenen Potential und kann ziemlich viel über sich selber erfahren. Ich kann das vielleicht nicht richtig rüberbringen, aber falls ihr eine Idee habt und überlegt, wo und wie ihr die jetzt platziert und den Menschen vorstellen könnt, vielleicht dafür teure Fortbildungen belegen wollt, dann lasst das und bewerbt euch einfach nur für die Agora Marktbiennale.
Weiterführende Links:
Corona Gsteu beschreibt auf ihrem Blog ganz viele der Aktionen, die im Rahmen der Agora Marktbiennale in den letzten Jahren stattgefunden haben: www.corona.ziel2wien.at
Die Beschreibung der GB*2/20 zur Agora Marktbiennale mit Anmeldemöglichkeit: GB*2/20