Ich glaube, im Verständnis läuft da noch einiges in die falsche Richtung. Gestern war ich wieder bei der Besichtigung eines interessanten Geschäftslokals. Aber wie so oft: zu teuer für die meisten lokalen Macher*innen.
Der Eigentümer stimmte dann das bekannte Lied an: Unsere Einkaufsstraße und die Innenstadt gehen kaputt, weil immer mehr Parkplätze weggenommen werden … die böse Politik. Ab und zu fällt in solchen Gesprächen auch noch der Hinweis auf die Einkaufszentren am Stadtrand (aber häufiger sind es die Parkplätze). Auf jeden Fall hat der Vormieter (Handel) das Geschäftslokal nach 10 Jahren aufgeben müssen, weil die Kund*innen ausblieben.
In den deutschen Fachmedien wird das schon länger rauf und runter diskutiert. Der Handel steht unter massivem Druck, und das betrifft längst nicht nur den stationären Handel, sondern auch große E-Commerce-Händler wie Amazon. Der wahre Gamechanger kommt nämlich aus China: Die Mega-Plattformen Temu und Shein (bald in Europa auch Tiktok) haben mächtig Rückenwind von der chinesischen Regierung. Die treiben den Aufbau von Infrastruktur (Silk Road E-Commerce) ordentlich voran, damit Milliarden an Produkten zu Billigpreisen ganz schnell und in großen Massen nach Europa kommen können. Wusstet ihr, dass dafür eine direkte Bahnverbindung zwischen Duisburg und Shenzhen gebaut wurde? 60 Containerzüge pro Woche sind es schon. Die meisten Pakete kommen aber natürlich über Luft und Wasser.
Hier treffen die Billigangebote auf Menschen, die wegen der Teuerung sowieso nicht mehr so richtig in die Innenstadt shoppen gehen können. Das berühmte Sack Reis hat also wirklich was mit unseren Innenstädten und Einkaufsstraßen zu tun. Aber selbst wenn irgendwann Zölle oder andere Maßnahmen kommen, die diese Warenschwemme aus China eindämmen, bleibt der Onlinehandel ein Riesenfaktor. In anderen Ländern ist der Anteil des Onlinehandels schon viel höher als in Österreich, auch hier wächst er weiter. Der stationäre Handel wird also so oder so weiter unter Druck bleiben und sich weiter zurückziehen.
Die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten zu verbessern, indem man zum Beispiel den Verkehr beruhigt, ist ein wichtiger und notwendiger Puzzlestein. Was jetzt aber noch fehlt, sind neue, kreative Nutzungen. Häufig lese ich von Expert*innen, dass die Gastronomie es richten muss (die Systemgastronomie befindet sich nämlich im Aufwind). Ja, ein vielfältiges! gastronomisches Angebot wird sicher ein Teil der Lösung sein. Aber was es auch braucht, sind spannende Nutzungen, die Erlebnisse und neue Erfahrungen bzw. auch Chance auf ein Miteinander bieten. Im Moment sind die spannendsten Nutzungen oft versteckt und abseits der Zentren angesiedelt, weil die Mieten dort bezahlbar sind. Aber was wäre, wenn die kreativen Projekte der lokalen Macher*innen auch gute und zentralere Plätze in der Stadt bekämen. Stellt euch vor, ein Communitytreffpunkt wie commonroom, so etwas wie die Semmelweissklinik mit ihrem Kulturangebot, Tanz- und Musiksessions, Ateliers und Werkstätten oder auch Mixed-Angebote wie das von Kanopi oder die Hauswirtschaft würden sich auch in den zentraleren Lagen befinden. Oder lokale Produzent*innen … und, und, und.
Das würde unsere Städte auf jeden Fall weniger austauschbar und sehr spannend machen, der lokale Flair und gute Vibes kämen zurück. Und wenn wir ehrlich sind, geht es in Zukunft auch gar nicht mehr darum noch mehr Krempel (Thema: Klima bzw. Endlichkeit von Ressourcen) anzuhäufen und die dritte Filiale irgendeines Standardhändlers ist auch jetzt schon nicht so der Höhepunkt in der Innenstadt.
Aber damit das klappt, müssen die Mieten runter und das wird noch ein langer Weg werden, im Moment ist es so, dass die Eigentümer es dann lieber leer stehen lassen und einfach auf bessere Zeiten hoffen. Veränderung wird nur möglich sein, wenn auch die Eigentümer verstehen, was da vor sich geht. Was ich eigentlich nur sagen wollte: Die fehlenden Parkplätze sind es nicht.